Was ist die Rückrechnung bei Alkoholdelikten?

Schon während des Trinkens, aber auch noch danach dauert der Prozess an, in dem der Alkohol aus dem Verdauungstrakt in das Blut überführt wird (die sog. Resorptionsphase).

Diese Phase wird auch als Anflutungsphase bezeichnet. Die Resorption ist in der Regel zwei Stunden nach Trinkende - dem letzten Schluck - mit Sicherheit abgeschlossen. Von da an nimmt also der Alkoholgehalt im Blut nicht mehr zu. Aber auch schon während des Trinkens und weiterhin danach wird der im Blut befindliche Alkohol auch wieder abgebaut, bis er völlig aus dem Blutkreislauf verschwunden ist.

Dieser Alkoholabbau ist abhängig vom Geschlecht, vom Körpergewicht und von individuell abweichenden Abbaueigenheiten des Betroffenen. Aber man kann sagen, dass die Mindestabbaugeschwindigkeit bei 0,10 Promille pro Stunde liegt. Aufgenommener Alkohol, der zu einer Blutalkoholkonzentration von 2,00 Promille geführt hat, ist also mit Sicherheit nach 20 Stunden nach Trinkbeginn völlig abgebaut.

Aus diesem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass in der Resorptionsphase gleichzeitig bereits einsetzender Abbau und Neuaufnahme aus dem Dünndarm in den Blutkreislauf zusammenfallen. Hieraus folgt, dass man während dieser Phase nur sehr ungenaue Angaben über die konkreten Werte machen kann.

Die Blutalkoholuntersuchung ergibt nun den Laborwert zum Zeitpunkt der Blutentnahme (richtigerweise den Durchschnittswert aus mehreren Einzeluntersuchungen, um Fehler auszuschließen).

Strafrechtlich interessiert aber der Wert zum Tatzeitpunkt. Dieser ist mit einer Untersuchung nicht mehr feststellbar, weil er sich nach der Tat durch die ja weiter stattfindende Resorption, die vielleicht noch gar nicht abgeschlossen war, noch erhöht haben könnte.

Deshalb darf man nicht einfach rückwärts rechnend den Wert zum Zeitpunkt der Untersuchung mit 0,10 Promille pro Stunde bis zum Tatzeitpunkt erhöhen. Sondern dies ist nur dann zulässig, wenn wirklich feststeht, dass die Resorptionsphase zum Zeitpunkt der Tat bereits sicher abgeschlossen war, also wenn die Tat frühestens zwei Stunden nach dem Trinkende stattfand. Dann, aber auch nur dann, ist eine Rückrechnung aus dem Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung auf den Tatzeitpunkt möglich und zulässig. Steht das genaue Trinkende nicht fest (und das ist in den meisten Fällen so) und kann deshalb nicht von einer abgeschlossenen Resorption zum Tatzeitpunkt ausgegangen werden, dann darf nicht zurückgerechnet werden, sondern es muss zugunsten des Beschuldigten unterstellt werden, dass der Blutalkoholgehalt zur Vorfallszeit nicht höher war als zum Zeitpunkt der Blutentnahme.

Diese Rückrechnung mit 0,10 Promille pro Stunde, wenn sie zulässig ist, erfolgt mit diesem Wert zugunsten des Beschuldigten, wenn es um den maximalen Alkoholwert zum Vorfallszeitpunkt geht.

Da aber die wissenschaftlich festgestellten tatsächlichen Abbauwerte einen Schwankungsbereich haben, der zwischen 0,10 und 0,20 Promille pro Stunde liegt, muss der höhere Wert von maximal 0,20 Promille pro Stunde dann für die Rückrechnung herangezogen werden, wenn es darum geht, ob der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt in seiner Schuldfähigkeit infolge des Alkoholgenusses beeinträchtigt war. Das ist nötig, um auch bei dieser Art der Rückrechnung wegen des Grundsatzes "Im Zweifel für den Angeklagten" zu dem bei der Schuldfeststellung günstigeren höheren Wert zu gelangen. Das ergibt in der Praxis schon recht große Unterschiede, wenn zwischen Tat und Blutentnahme ein längerer Zeitraum vergangen ist.