Die charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen

Neben den zur Befähigung führenden nötigen theoretischen Kenntnissen und praktischen Fertigkeiten muss ein Fahrerlaubnisbewerber auch geeignet sein, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Verkehr zu führen.

Deshalb genügt es nicht, dass der Bewerber um eine Fahrerlaubnis körperlich und geistig - also gesundheitlich im weitesten Sinne - "in Form ist" und über das nötige Reaktionsvermögen verfügt, sondern er muss darüber hinaus auch charakterlich geeignet sein, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Wäre er dies nicht, so gingen von ihm erhebliche Gefahren für die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer und für ihn selber aus. Da dies nicht zugelassen werden kann, darf einem Bewerber eine Fahrerlaubnis weder erstmals noch erneut erteilt werden, wenn ihm die nötige charakterliche Eignung fehlt. Obwohl die gesetzlichen Vorschriften an keiner Stelle den Begriff der charakterlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gebrauchen, unterliegt es doch keinem Zweifel, dass gerade auf diesen Gesichtspunkt der Fahreignung der Gesetzgeber bei gründlicher Betrachtung den größten Wert legt. Dies ergibt sich aus der Formulierung, dass
die Bewerber um eine Fahrerlaubnis "nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben" dürfen, so dass dadurch ihre Eignung ausgeschlossen wird.

Aus der Wahl der Wörter "nicht erheblich" oder "nicht wiederholt" ergibt sich zum einen, dass auch schon durch einen einzigen Verstoß die Nichteignung indiziert sein kann, wenn diesem einen Verstoß ein gewisses Gewicht in Bezug auf die Einstellung des Betroffenen zukommt.

Und aus der Wahl der Wörter "gegen verkehrsrechtliche Vorschriften" oder "Strafgesetze" lässt sich die Auffassung des Gesetzgebers ablesen, dass Verstöße gegen Strafgesetze auch dann zu Bedenken gegen die Fahreignung führen können, wenn es sich nicht um ein klassisches Verkehrsdelikt wie beispielsweise eine Trunkenheitsfahrt handeln muss, sondern dass insoweit auch andere Verstöße gegen strafrechtliche Bestimmungen in Betracht kommen, sofern diese Rückschlüsse auf eine verkehrsfeindliche Gesinnung zulassen.

Erheblich sind solche Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten, die ihrer Art und Begehung nach auch unter Berücksichtigung ihrer Intensität im Vergleich zur Masse der Verkehrsverstöße eine überdurchschnittliche Beeinträchtigung bzw. Gefährdung der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs darstellen. Damit scheiden Ordnungswidrigkeiten im Verwarnungsgeldbereich aus; hingegen kann eine einzige Ordnungswidrigkeit, die im Verkehrszentralregister einzutragen ist, bereits zu Eignungsbedenken führen, wenn es sich um eine besonders gefährliche Verhaltensweise handelt.

Auch eine strafrechtliche Einzeltat, die lediglich eine gewisse Verkehrsbezogenheit hat - "Verkehrserziehung" mit dem Baseballschläger -, aber in ihrer Rohheit ein hohes Aggressionspotential erkennen lässt, ist zur Begründung erheblicher Eignungsbedenken geeignet.

Bei den wiederholten Verstößen muss es sich um mindestens zwei verkehrssicherheits- oder verkehrsordnungsrechtlich relevante Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten handeln, bei denen auch teilweise Vorkommnisse einbezogen werden können, die unterhalb der Eintragungsschwelle hinsichtlich des Verkehrszentralregisters liegen können. Allerdings werden derart niedrigschwellige Verstöße den Fahrerlaubnisbehörden meist nicht bekannt sein. Ist dies dennoch der Fall, können sie entsprechend dem gesetzlichen Grundgedanken nur dann zur Annahme fehlender Fahreignung führen, wenn sie nach Art und Zahl eine ausgeprägt rechtsfeindliche Gesinnung des Fahrerlaubnisbewerbers offenbaren.

Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung kommen für die Beurteilung auch solche Verstöße in Anmerkung, die der Betreffende als Fußgänger oder Radfahrer begangen hat.

Handelt es sich um Verstöße von Betroffenen die bereits eine Fahrerlaubnis besitzen, kann das Mehrfachtäter-Punktsystem als Auslegungshilfe dienen. Solange nach den Bestimmungen des Punktsystems noch keine Entziehung der Fahrerlaubnis zulässig ist, wird man z. B. eine Erweiterung wegen Nichteignung nicht ablehnen dürfen, da gerade diese noch nicht feststeht.

Jedoch wird es sich im Falle häufigerer Verstöße öfter aufdrängen, die Entscheidung über das Vorliegen der Eignung oder Nichteignung mittels eines psychologisch-medizinischen Gutachtens (MPU) feststellen zu lassen.

Der Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gegeben ist, obliegt dem Bewerber um die Fahrerlaubnis.