Das Strafbefehlsverfahren

In Verfahren, die zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts gehören, kann die Staatsanwaltschaft an Stelle einer Anklage zusammen mit der Akte auch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls an das Gericht schicken.

Ein solcher Antrag ersetzt die Anklageschrift und muss den gleichen Inhalt wie eine Anklageschrift haben, wobei allerdings der wesentliche Inhalt des Ermittlungsergebnisses nicht enthalten sein muss.

Jedoch muss der Strafbefehlsantrag bereits - insoweit wie bei einem staatsanwaltschaftlichen Schlussplädoyer in der Hauptverhandlung - einen auf ein bestimmtes Strafmaß gerichteten Antrag enthalten.

Der Weg des Strafbefehlsverfahrens anstelle der Anklageerhebung soll nur beschritten werden, wenn nach Auffassung der Anklagebehörde eine Hauptverhandlung nicht erforderlich erscheint. Hierunter fallen in der Praxis ein sehr hoher Prozentsatz aller Verkehrsvergehen.

Allerdings ist die Zulässigkeit des Strafbefehlsverfahrens an die Einhaltung bestimmter Strafen und Maßregeln gebunden; ein Strafbefehl ist nur zulässig für folgende Rechtsfolgen der Tat, die einzeln oder nebeneinander verhängt werden können, wobei die Aufzählung nur die für Verkehrssachen wichtigen umfasst:

  • Geldstrafe,
  • Verwarnung mit Strafvorbehalt,
  • Fahrverbot,
  • Einziehung eines Tatfahrzeugs,
  • Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre nicht mehr als zwei Jahre beträgt,
  • Schuldspruch unter gleichzeitigem Absehen von Strafe (z.B. wenn durch die Tat ein naher Angehöriger getötet wurde),
  • Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, sofern der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

Das Gericht, dem der Antrag auf Strafbefehlserlass zugegangen ist, prüft, ob es dem Antrag stattgibt. Wird dem Antrag nicht stattgegeben, dann wird der Strafbefehl als Anklageschrift behandelt und der weitere Gang des Verfahrens läuft so ab, als wäre von vornherein eine Anklageschrift verfasst worden (die im Strafbefehlsantrag genannten Rechtsfolgen sind gegenstandslos).

Erlässt das Gericht den Strafbefehl, so hat dies für den Beschuldigten quasi die Funktion eines im schriftlichen Verfahren ergangenen Urteilsvorschlags. Der Beschuldigte kann diesen Vorschlag akzeptieren, indem er gegen den Strafbefehl keinen Einspruch einlegt und ihn damit rechtskräftig werden lässt. Er kann aber auch innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung gegen den Strafbefehl Einspruch einlegen.

Legt der Beschuldigte Einspruch ein, so hat der Strafbefehl die Funktion einer Anklageschrift; das Gericht wird nunmehr wie beim Anklageverfahren einen Hauptverhandlungstermin festsetzen, in dem durch unmittelbare Beweisaufnahme der Sachverhalt geklärt und die Rechtsfolgen festgesetzt werden.

Der Beschuldigte ist allerdings nicht gezwungen, den Strafbefehl nur im ganzen zu akzeptieren oder im ganzen durch Einspruch anzufechten; vielmehr kann er den Strafbefehl mit seinen Rechtsfolgen auch teilweise annehmen und ihn nur teilweise anfechten. So kann er beispielsweise gegen die tatsächlichen Feststellungen keine Einwände haben, jedoch eine verhängte Geldstrafe dem Umfang der Tagessätze nach für zu hoch halten; er kann aber auch nur die Betrag für den einzelnen Tagessatzes gemessen an seinem Einkommen für zu hoch halten. Es ist aber auch möglich, die Strafe an sich zu akzeptieren, aber nur gegen ein verhängtes Fahrverbot oder einen Fahrerlaubnisentzug bzw. auch nur gegen die Länge der festgesetzten Sperrfrist vorzugehen.

In allen diesen denkbaren Fallgestaltungen wird der Strafbefehl in seinem nicht mit einem Einspruch angefochtenen Teil rechtskräftig, und im Termin wird nur noch über den Teil verhandelt, der durch die Beschränkung des Einspruchs im Streit ist. Dies hat für den Beschuldigten unter anderem den Vorteil, dass wegen des im Strafverfahren geltenden Verschlechterungsverbots eine Strafverschärfung bezüglich der nicht angefochtenen Teile des Strafbefehls nicht in Betracht kommt.

Soweit allerdings ein Strafbefehl angefochten wird, gilt das Verschlechterungsverbot nicht.

Ein Einspruch gegen einen Strafbefehl kann jederzeit bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden; allerdings bedarf nach dem Beginn der Hauptverhandlung die Rücknahme der Zustimmung des Vertreters der Staatsanwaltschaft.