Die Unfallflucht

Bei einem Verkehrsunfall handelt es sich in der Regel um einen von einem oder mehreren Beteiligten fahrlässig verursachtes plötzliches Unglücksfall.

Der Unfallbeteiligte wird urplötzlich und meistens völlig unvorbereitet aus einer an sich alltäglichen Situation - der Teilnahme am Straßenverkehr - herausgerissen und mit einer ungewohnten Affektsituation konfrontiert, die es ihm schwer macht, richtige Entscheidungen zu treffen.

Vielfach bricht sich ein evolutionär und somit instinktmäßig veranlagter Fluchtinstinkt Bahn. Diesem primitiven Fluchtimpuls leistet das hier zu Lande gut ausgebaute Verkehrsnetz mit seinen geradezu einladenden Fluchtmöglichkeiten noch Vorschub, insbesondere, wenn sich schon der Unfall im fließenden Verkehr zugetragen hat und daher die Schnelligkeit des eigenen Fahrzeugs und die sich damit gesteigert darbietenden Möglichkeiten, erst einmal allem zu entkommen, den Motivationsdruck zum Fliehen noch erhöhen.

In den seltensten Fällen sind etwa eine überlegt zu Tage geförderte Angst vor versicherungsrechtlichen Prämiennachteilen oder ähnliche egoistische Motive Auslöser einer Unfallflucht; meistens handelt es sich um die Umsetzung eines Urtriebs, sich einer unerwünschten und unerwarteten Stresssituation zu entziehen und sich erst einmal zu verstecken.

Dass allerdings in einigen Fällen auch noch eine bei dem Unfall vorhandene Alkoholisierung und die berechtigte Befürchtung, den Führerschein zu verlieren, ein Motiv zum Flüchten hergibt, verschwindet in einer statistischen Grauzone, falls der Täter erst ermittelt wird, wenn der Alkohol bereits abgebaut und somit ein Tatbeweis nicht mehr möglich ist.

Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Das deutsche Strafrecht erkennt weitestgehend an, dass kein Straftäter selbst zu seiner eigenen Überführung beitragen muss. Selbstbegünstigung und Strafvereitelung sind für den Täter keine strafbaren Handlungen. Auch im Strafverfahren muss niemand sich selbst belasten, sondern kann zu allem schweigen, ja als Beschuldigter sogar straffrei die Unwahrheit sagen.

In den Augen vieler verträgt sich die Strafbarkeit eines Verhaltens, wie es vom Gesetz als Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort unter Strafandrohung gestellt wird, nicht leicht mit allen diesen Erkenntnissen. Daher werden auch immer wieder Reformvorschläge laut.

Indem das Gesetz fordert, dass ein Unfallbeteiligter quasi zu seiner eigenen Überführung am Unfallort auszuharren habe, wird jedem Verkehrsteilnehmer ein hohes Maß an Instinktbeherrschung abverlangt. Gerade bei diesem Straftatbestand müssen also in der Fahrausbildung erworbene Kenntnisse des richtigen und vom Gesetz gewollten Verhaltens, eigene Einsicht, charakterliche Eignung und die kriminologischen Auswirkungen des Gesetzesbefehls zu erreichen versuchen, dass auch nach einem Schreckereignis wie einem Verkehrsunfall das Handeln der Unfallbeteiligten rational gesteuert und dem Fluchtimpuls erfolgreich widerstanden wird.

Voraussetzung der Wartepflicht und somit auch der Strafbarkeit ist, dass nicht nur ein geringfügiger Schaden bei dem Unfallereignis eingetreten ist. Diese Grenze wird bei etwa 20 € bei einem Sachschaden zu ziehen sein. Eine Verletzung wird man dann noch geringfügig bzw. unbedeutend nennen können, wenn sie nicht über das hinausgeht, was jeder vernünftig Denkende im Alltagsleben auch als belanglose Bagatelle hinnehmen würde.

Ist allerdings als Folge eines Verkehrsunfalls ein bedeutender Sachschaden in Höhe von etwa 1250 € und mehr eingetreten, oder wurde bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt, so muss demjenigen, der sich unter solchen Umständen unerlaubt vom Unfallort entfernt hat, regelmäßig die Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit entzogen werden.

Liegt der Sachschaden zwischen etwa 500 und 1250 €, so kann neben der Strafe ein Fahrverbot von einem bis zu drei Monaten angeordnet werden.

Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort wird im Verkehrszentralregister mit 7 Punkten bewertet. Es handelt sich um einen sog. A-Verstoß; befindet sich also der Verurteilte noch in der Probezeit und wird die Fahrerlaubnis nicht entzogen, so verlängert sich diese um zwei Jahre und es kommt zu einer Nachschulungsanordnung.