Haftungsabwägung bei einem Unfall

Würde man es bei der Grundregel belassen, dass jeder Halter eines Kfz den bei dem Betrieb seines Fahrzeugs entstandenen Schaden zu ersetzen hat, dann würden bei einem Verkehrsunfall mit z. B. zwei Beteiligten jeder seinen Schaden voll ersetzt bekommen.

Über die allgemein zwingende Kfz-Haftpflichtversicherung des jeweiligen Unfallgegners wäre dann jedes Kfz quasi vollkaskoversichert. Dem ist natürlich nicht so, sondern gegenüber der grundsätzlichen Haftungsregel der vollen Haftung aus der Betriebsgefahr gibt es zahlreiche Ausnahmen und Einschränkungen:

  1. Ausgeschlossen ist die Haftung, wenn das Unfallereignis auf höhere Gewalt zurück zu führen ist.

  2. Die Haftung des Unfallgegners kann durch eigenes Mitverschulden begrenzt werden.

  3. Auch dann, wenn weder höhere Gewalt noch ein Mitverschulden zu berücksichtigen sind, kann die Haftung ausgeschlossen sein, wenn der Unfall für den betreffenden Beteiligten ein sog. unabwendbares Ereignis war.

  4. Schließlich ist noch an besondere Fallgestaltungen zu denken, in denen die gesetzlichen Bestimmungen, die an sich ihrem Wortlaut nach eine volle Haftung des Kfz-Halters festlegen, von der Rechtsprechung so ausgelegt werden, dass sie auf bestimmte Konstellationen nicht angewendet werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein achtjähriges radfahrendes Kind sich bei einem Zusammenstoß mit einem geparkten Kfz verletzt und daher der Kfz-Halter nach dem Gesetzeswortlaut für den Schaden des haftungsunmündigen Kindes einstehen müsste. Denn bis zur Vollendung des neunten Lebensjahres genießen Kinder das Privileg, für Verkehrsunfälle nicht haften zu müssen (was umgekehrt bedeutet, dass der Kfz-Halter gegenüber einem solchen Kind zu vollem Schadensersatz verpflichtet ist; denn einem haftungsbefreiten Kind gegenüber kann auch keinerlei Mitverschulden in die Waagschale geworfen werden). Dennoch hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß dass dieses Haftungsprivileg dann nicht zum Zuge kommt, wenn sich bei dem Unfall nicht die typischen Gefahren des bewegten Verkehrs verwirklicht haben.

Liegen keine Haftungsausschlüsse vor, so muss bei jedem Unfall eine gesonderte Haftungsabwägung vorgenommen werden, durch die dann die sog. Haftungsquoten der Beteiligten gefunden werden, d. h. es werden die Bruchteile bzw. Prozentsätze der Haftung festgelegt, die jeden der Beteiligten trifft. Kommt eine Einigung zwischen den Beteiligten über ihre jeweiligen Haftungsquoten nicht zustande, müssen im Streitfall die Gerichte die Entscheidung über die Haftung dem Grunde nach treffen.

Die entscheidenden Abwägungsmerkmale sind dabei

  • die jeweiligen von den beteiligten Kraftfahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren und
  • das Maß der jeweiligen Mitverschuldens- bzw. Mitverursachungsbeiträge.